Aufruf antirassistischer Netzwerke zu den Aktionen gegen die Einweihung der neuen EZB am 18. März in Frankfurt
2014 war ein historisches Jahr der sozialen und politischen Bewegungen und Kämpfe der Migration: Rekordzahlen bei der Überquerung des zentralen Mittelmeeres und der Ägäis, kontinuierliche kollektive Überwindung der Zäune in Ceuta und Melilla, Proteste und hartnäckiges Ausharren bis zum richtigen Moment in Calais oder Patras, Aufstände und Hungerstreiks in Abschiebeknästen quer durch Europa, Haus- und Platzbesetzungen in Athen, Rom oder Berlin, erfolgreiche Aktionen und Kirchenasyle gegen Dublin-Abschiebungen sowie die Aushebelung der Abschiebehaft in Deutschland, der Marsch für Freiheit von Straßburg bis Brüssel, und vieles mehr.
Freiheit statt Frontex
Symbolischer Protest und alltäglicher Widerstand attackieren die herrschende Flüchtlings- und Migrationspolitik auf allen Ebenen, noch nie waren die äußeren wie inneren Grenzen der EU so stark umkämpft. Frontex und Tausende Tote auf See, die Abschiebungen per Dublin-Verordnung, Kontrollen und Festnahmen – täglich oder à la „Mos Maiorum“, sowie die Internierung in Abschiebeknästen stehen exemplarisch für ein tödliches, unmenschliches EU-Grenzregime, das sich jedoch überall mit den erstarkten selbstorganisierten Kämpfen für das Recht auf Bewegungsfreiheit konfrontiert sieht.
Fluchtursachen und globale Krise
Die Ungleichheiten innerhalb Europas verschärfen sich dank der Krisenpolitik stets weiter, ihre Durchsetzung folgt den IWF-Programmen für den globalen Süden der vergangenen Jahrzehnte. Dort ist das Leben unter Krisenbedingungen schon längst Normalzustand, verursacht durch Klimawandel, Ressourcenausbeutung und Rohstoffraub, durch Landgrabbing, Hungerkatastrophen und Verteilungskriege. 1000 gute Gründe, um sich für ein besseres Leben auf den Weg zu machen.
Gegen Spaltung und Ausbeutung…
Das Grenzregime fungiert als Filter, durch den allenfalls die „Fittesten“ durchkommen sollen. Die Herrschenden sprechen von „Migrationsmanagement“, wenn sie die Formen der Ausgrenzung mit der Rekrutierung billiger Arbeitskräfte kombinieren. Aufenthaltsrechte werden an den Arbeitsplatz gekoppelt, Illegalisierung und Abschie-bung dienen als Mittel der Erpressung. Weltweit findet ein Prozess rassistischer Hierarchisierung statt, indem verschiedenen MigrantInnengruppen jeweils abgestuft soziale und politische Rechte verweigert werden. Diese moderne Apartheid ist auf die Bedürfnisse der nördlichen Arbeitsmärkte ausgerichtet, nicht zuletzt in Deutschland. Im Schatten der glitzernden Türme der Banken funktioniert die metropolitane Dienstleistungsökonomie nur auf der Basis prekärer Beschäftigungsverhältnisse und der Überausbeutung von vor allem MigrantInnen.
… crossing borders of different struggles
In der Abschlusserklärung eines internationalen Treffens von Sans Papieres und MigrantInnen (CISPM) im November 2014 in Rom heißt es: „Wir sind zusammen mit ArbeiterInnen, Prekären, Flüchtlingen, Studierenden, Erwerbslosen, AsylbewerberInnen und jeglichen anderen Betroffenen der Krise, denn der Krieg gegen die Armen und Ausgebeuteten nützt nur den Ausbeutern, hier in Europa und überall.“
Die Bewegungen und Kämpfe der Migration durchkreuzen den gesamten europäischen Raum. Der „social strike“ brachte am 14. November in Italien Flüchtlinge und ArbeiterInnen zusammen, in Hamburg und Berlin werden aktuelle Refugee-Kämpfe und Recht-auf-Stadt-Initiativen verbunden und bezahlbarer Wohnraum und Arbeitser-laubnisse für alle sowie die Abschaffung des Abschiebesystems gefordert. Ob Aktionen und Demos zu Recht-auf-Stadt oder zur Krise und prekärer Arbeit – es gibt zahlreiche Verbindungslinien, um in und mit den Kämpfen für globale Bewegungsfreiheit und gegen alle rassistischen Sondergesetze eine übergreifende emanzipatorische Perspektive weiterzuentwickeln.
Nie wieder Pegida
Die Verbindung zwischen Protesten gegen das Austeritäts- und das Grenz-regime erscheint umso wichtiger, weil europaweit neue rechte Gruppierungen reaktionäre Krisenlösungen propagieren. Rechte und Nazis protestieren besonders in Ost-deutschland regelmäßig gegen die Unterbringung von Flüchtlingen. Daneben finden bundesweit derzeit wöchentlich rassistische antiislamische PEGIDA-Aufmärsche statt. Doch mit Ausnahme weniger Städte im Osten kann der rechte Mob auf der Straße bislang nicht Fuß fassen, vielmehr stehen von Lübeck bis Freiburg den wenigen hundert RassistInnen kurzfristig mehrere Tausend GegendemonstrantInnen gegenüber.
Von Athen nach Frankfurt!
Mit dem Sieg von Syriza Ende Januar in Griechenland tun sich dort neue Räume der Veränderung auf, nicht nur im Kampf gegen die brutale Austeritäts- und Krisenpolitik, sondern auch gegen das unmenschliche Haft- und Grenzregime. Trotz des Regierungs-bündnisses mit den Rechtspopulisten der sog. „Unabhängigen Griechen“ spricht momentan einiges dafür, dass in der Ägäis mit der bisherigen Abschreckungs- und Internierungspolitik der Vorgängerregierungen gebrochen wird. Es wird sich in den kommenden Wochen erweisen und nicht zuletzt vom weiteren Druck der Straße abhängen, ob Wahlen doch bisweilen etwas ändern können. Bereits jetzt lässt sich hingegen schon verfolgen, wie die Machtinstitutionen in Brüssel, Berlin und Frankfurt alles an Erpressungs- und Druckmitteln anwenden, um die neue griechische Regierung in der Krisen- wie in der Migrationspolitik auf den EU-Linien der Ausbeutung und Ausgrenzung zu halten.
Deshalb kommen wir am 18.3.2015 nach Frankfurt. Um mitzuwirken, in der Bankenmetropole ein radikales Zeichen der transnationalen Solidarität zu setzen.
Als antirassistische Gruppen sowie flucht- und migrationsbezogene Netzwerke rufen wir nach Frankfurt auf, um die Forderungen und Ziele der alltäglichen Kämpfe gegen Ausgrenzung und Prekarisierung sichtbar zu machen: im Widerstand gegen Asyl-gesetzverschärfungen, gegen Dublin-Abschiebungen sowie mit der neuen Kampagne „Push Back Frontex“ und für globale Bewegungsfreiheit für alle!